Weil sie teuer wird können wir die Energiewende als Auftakt einer allgemeinen ökologischen Transformastion den kleinen Leuten nur schwer vermitteln - hör ich von vielen Kommentator*innen und
bildungsbürgerlichen Freund*innen, transgenerationalen Hipster*innen sozusagen. Für Klima- und Umweltschutz bzw. die dahin führende Transformationen muss Geld ausgegeben werden, wie selbst mir
klar ist. Dass dadurch Preise und damit Lebenshaltungskosten steigen, sehe ich auch so. Allerdings argumentieren die Mahner*innen der drohenden Kosten streng betriebswirtschaftlich: In einem
solchen Modell ist Geld, dass man ausgibt, weg. Weg aus der eigenen Brieftasche oder der eigenen Bilanz. „Taler, Taler ihr müsst wandern!“ verweist auf die volkswirtschaftlichen Effekte der
Vervielfältigung der Kostenfaktoren, dem Anstieg der Steuern und der Stückpreise. Das Geld was aus der einen Bilanz verausgabt wird, wird darin von mindestens einer anderen vereinnahmt.
Die Frage muss also nach den Kosten der Transformation und den Profiten an ihr gestellt werden. Diese Transformationsbilanz fällt ohne flankierende Maßnahmen für unterschiedliche Akteure
essenziell unterschiedlich aus. Allgemein entfällt ein größerer Anteil des Stückpreises auf ökologische Kosten, also auf die Pflege der Gemeingüter, was den Extraktivismus generell begrenzt.
Klingt gut. Wegen der disparaten Folgen der Transformation für verschiedene Akteure genügt diese allgemeine Antwort aber nicht. Eine grobe Bilanzierung der Transformation für typische Akteure
gehört aber in die öffentliche Diskussion, statt dass wir ökonomisch benachteiligten mitleidig vorrechnen, sie wären zwangsläufig die Gelackmeierten.
Das für die Transformation verausgabte Geld fließt zu einem guten Teil in Arbeitslöhne z.B. im Anlagenbau, in Umweltprojekte usw. Wärmepumpen, Solarpaneele wollen von irgendwem montiert werden.
Dass hier mittelfristig Arbeitskräftemangel herrscht, bedeutet andersrum eine sichere Einstellungschance für technische und handwerkliche Berufe. Diese werden insbesondere von Aufsteigern aus
vordem bildungsfernen Milieus angestrebt. Ihre mittleren Gehälter investieren diese Arbeitnehmer*innen von morgen großteils in Konsumgüter, was wiederum ihrer direkten Umgebung zugute kommt.
Schon das deutsche Wirtschaftswunder hat gezeigt, dass gesellschaftliche Transformation - klug flankiert - den Aufstieg ganzer Milieus fördert, gesellschaftliche Entwicklung dynamisiert. Eine
Flankierung heißt hier schlicht Bildungswesen.
Vom Einkommensmedian aufwärts sind steigende Stückpreise durch einfache Strategiewechsel auszugleichen: Anstatt mir viele Billigwaren mit kurzer Nutzungsdauer zu niedrigem Stückpreis zu kaufen,
kann ich auch weniger mit längere Nutzung zu höherem Preis erstehen. Statt viele Güter zu besitzen, die ich jeweils nur sporadisch nutze, kann ich mich an der Pflege von Gemeingütern - wie zum
Beispiel einer Hofgarage - beteiligen, in der weniger dieser Güter stetiger genutzt werden. Der Kaffevollautomat kann im Straßencafé stehen, wenn ich zur guten, alten Kaffekanne zurückkehre.
Diese preisgetriebene Transformation reformiert nebenbei mein Sozialverhalten. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Da all diese Strategien mindestens Startkapital erfordern, fallen sie Akteuren weit unter dem Einkommensmedian ungleich schwerer. Falls sie nicht in Berufsfelder einsteigen, die von der
Transformation profitieren, sind sie von Reallohnverlusten bedroht, obwohl auch andere Berufe dieses Segments, z.B. in der Pflege, dem Dienstleistungsbereich oder dem öffentlichen Dienst,
gesellschaftlich hochrelevant sind. In den letzten Jahrzehnten sind Vermögen stark nach oben umverteilt worden. Dieser abstruse Transfer muss umgekehrt werden. Wir brauchen eine stetige
Rückverteilung von Vermögen, also eine Umverteilung die zu der marktmäßigen komplementär verläuft. Ich bin hier für direkte Umverteilung von reichen zu armen Einzelpersonen, die dann das kleine
Kapital zur Investition in oben genannte Strategien erhalten. Damit emanzipierten sich diese Milieus auch von der Zurichtung ihrer Verhältnisse durch staatliche Fürsorge und marktmäßiger
Vereinnahmung - und speisen nebenbei die trägen Vermögen wieder in den besteuerten Geldkreislauf ein. Dadurch würde besteuertes Vermögen indirekt in öffentliche Transformationsprojekte
investiert.
Mit der richtigen Flankierung durch eine robuste öffentliche Daseinsvorsorge, diversen Gemeingütern und einer stetigen Rückverteilung wird die ökologische Wende eher als kulturelle Transformation
wahrgenommen werden als eine ökonomische Zumutung. Ach, jetzt hätte ich fast jemanden vergessen! Neulich sah ich beim Zappen eine Runde von Herren und Damen, die sich in einem Skiort trafen.
Einer von ihnen erläuterte freimütig, die billigste Uhr an irgend einem Arm in der Runde koste ungefähr so viel wie eine Fünfzimmerwohnung in Berlin. Tja, für diese bedrohte Art wird die
sozial-ökologische Wende desto größere Statusverluste bedeuten, je klüger und gerechter sie umgesetzt wird. Mein Tipp an diese Akteure ist, die Hemden, die sie sich nass heulen mögen, in die
nächste Reinigung zu tragen. Das schafft auch Arbeitsplätze!
Die gut situierte Mitte der Gesellschaft, respektive das Bildungsbürgertum samt ihren meinungsbildenden Berufsgruppen, sollte in dieser Transformation eben so Partei ergreifen, dass sich aus der
notwendigen Ökowende eine wünschenswerte Sozialreform und ein aufregender Kulturwandel ergeben. Die larmoyante Reflexion in den Kommentarspalten über die Renitenz benachteiligter Milieus bei
notwendigen Entwicklungsprojekten kann ich jedenfalls nur noch schwer ertragen! Wenn der Staat sich darin erinnert, dass er bei seinen Gläubigern von morgen die Vermögenssteuern von heute erheben
kann, trifft folgender Spruch volkswirtschaftlich ins Schwarze: Das Geld, das wir jetzt zum Fenster hinauswerfen, liegt gleich auf der Straße!
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