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Spirituelle Sauce

Keanu Reeves hat einen eigenen Comic herausgebracht, der aller Wahrscheinlichkeit nach bald - vielleicht sogar mit Reeves in der Hauptrolle- verfilmt wird. Ich schau mir Reeves in gewalttätigen Streifen ganz gerne an, schon weil ich mal gehört habe, die Hormonflut beim Genuss von Gewaltdarstellungen straffe das Bindegewebe. Noch kenne ich den Film ja auch nicht, noch. Was aber laut Moviepilot der Koautor Matt Kindt auf den Punkt bringt, verursacht bei mir serielles Stutzen:
"(…) Mit BRZRKR haben wir einen starken Cocktail aus all den Dingen gemixt, die wir lieben: die Geschichte eines unsterblichen Kriegers, gespickt mit Geschichte, Verschwörungen, Spiritualität und einer gigantischen Portion verrückter Action und Gewalt - alles mit intensiver Absicht und letztlich einer herzzerreißenden Entdeckung.”
Die Verantwortung des Rezipienten fiktionaler Texte ist wohl, sie von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Drei Saucen popkultureller Fiktion zählt Matt Kindt auf. Die gigantische Portion Gewalt dient meiner Ansicht halt dem Bindegewebe. Nach ihrer Ironisierung kann ich diese z.B. im Kollegenfußball notdürftig ausleben. Eine Sehnsucht überlebt diese erste Abspaltung der in der Fiktion positiv erlebten Brutalität. Eine Schlacke unsterblichen Kriegers bleibt wohl von der Eskapade zurück. Meine Lebenserfahrung sagt mir, wie empfindlich meine Seele gegenüber erlebter Gewalt ist. Diese bleibt nun aber einmal der preiswerteste Geschmacksverstärker der Dramen.
Etwas raffinierter würzt da schon die Verschwörung. Solche aufzudecken bringt in seltenen Fällen den Pulitzerpreis ein. In der realen Politik bleibt sie als Mittel randständig, da Politik eben von Bündnissen lebt, was offene Kommunikation erfordert. Falls man sich ganz plausible Verschwörungstheorien erwirbt, empfiehlt es sich, diese nicht zu überprüfen: Das Ergebnis ist meist allzu enttäuschend. Lässt man aber die Finger davon, droht dem Freizeiteskapisten Abspaltung Nummer Zwei, die Sehnsucht, dass böse Mächte im Dunkeln wirkten, auf dass er sich an ihrer Aufdeckung beweisen könnte.
Ganz heißer Scheiß ist dann aber die Spiritualität. Ihre Einbettung in eine Religion stellt für das internationale Showbusiness übrigens ein Handelshemmnis dar. Es reicht das blumige Gefühl, einer großen Ordnung eingeschrieben zu sein, so mit Kosmos, höherem Wesen und so. Aus der Religionsfreiheit folgt ja wohl, dass jede Spiritualität von jeglicher Kritik ausgenommen werden muss. Wer anmerkt, dass Spiritualität meist das Ergötzen an hierarchischen Seinsordnungen meint, dem fehlt der Sensor für das Höhere. Abspaltung Nummer drei: Ich würde mich so gerne zu einem kleinen Teil einer großen Ordnung erniedrigen. Die zumeist hierzu angebotenen Retreats strotzen dann aber so von banalem Kitsch, dass ich doch lieber ohne Sinn des Lebens oder Harmonie des Kosmos’ meiner Wege gehe.
Ach jetzt habe ich die Geschichte ganz vergessen! Das ist schon deswegen grob fahrlässig, da sie ja die Trägersubstanz für die dramaturgischen Saucen ist, die Kartoffel jeder guten Erzählung. Kartoffeln dienen aber schlicht dem Aufnehmen der Sauce. Daher soll man sie noch nicht verachten. Sauce ohne Kartoffeln kann zu Magenreizungen führen, bei pikanter sogar zu Brechreiz. Da wär’s doch schade um die schöne Sauce! Ob die Geschichte so oder halt anders geschehen ist, spielt übrigens für die Trägerleistung des Histörchens keine Rolle. Und bitte: Nicht mehr Geschichte als Sauce!
Gewiss ist es ungerecht, den Comic oder gar den Film vor seinem Konsum zu verreißen. Auslöser ist nur das schwulstige Zitat. Es trifft den Großteil der fiktionalen Konsumgüter, die ich mir bei jeder Gelegenheit reinpfeife, derart gut, dass ich aus Rülpsen und Schlucken gar nicht mehr rauskomme. Ich freu mich schon auf den Comic! Mir schwant aber auch, dass die Produktionsweise von Popkultur in ihrer ständigen Reproduktion von dem, was wir angeblich lieben, eben der gewalttätigen Spiritualität, esoterischen Verschwörung oder so, da darf sich jede und jeder was zusammenrühren, einen kulturellen Verbundstoff zusammenkocht, der eher uns verdaut als wir ihn. Den Sex hat Matt Kindt leider vergessen, oder der steckt in herzzerreißend, da darf man gespannt sein. Und irgendeine Message hat der Streifen garantiert!
Ich seh da eine Marktlücke: Damit sich Ungläubige unbeschwert vor der Glotze besaucen lassen können, braucht’s ein Lösungsmittel, ich weiß nicht, sowas zwischen Verdauungsschnaps, Waschlauge, Desinfektion intravenös, damit uns die ganzen Stories nicht eines Tages gläubig machen. Wär’ doch schade drum.

 

 

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