Künstler und Intellektuelle preisen sich gerne als Pessimisten an, Manager und Politiker als Optimisten. Nun erscheinen beide Begriffe als komplementär, ganz so, als müsse ich mich entscheiden
oder allenfalls im Ungefähren verweilen. Nun haben die beiden Extreme aber eine verheimlichte Gemeinsamkeit: Sie zählen zur Kategorie der Seherinnen und Seher. Beide können natürlich ganz
generell ihre diesbezügliche Kompetenz belegen: Es wird wirklich schlimm kommen, spätestens mit deinem Ableben, können die Pessimisten meine Gunst anmahnen. Aber mit: „Na dann wird wenigstens
sein Platz für mich frei!“ kann der Optimist seine Haltung mühelos verteidigen.
Ich könnte aber meine Fähigkeit der Seherei zumindest relativieren: Ich hab für die nähere Zukunft meine Einschätzungen, denen ich so weit vertraue, dass ich riskiere auf dieser Grundlage tätig
zu werden . Aus Erfahrung weiß ich, dass meine Annahmen nicht perfekt sind und meine Produkte dann noch weniger. In vielen Fällen sind die Produkte aber sogar besser als angenommen, ja besser als
die Theorien zu ihrer Produktion. Meist offenbart sich dieses Wunder in der erfreulich abwegigen Interpretation und Nutzung meiner Werke durch andere. Als Theoretiker des eigenen Handelns steht
man dessen Ergebnissen doch oft einigermaßen borniert gegenüber! Wenn man das Eigene Produkt vom Vorhaben aus beurteilt, erscheint man sich selbst notwendig als Dilettant. Ein Projekt der
Fürsorge wird aber nicht theoretisch beurteilt, sondern praktisch genutzt, eben von den Umsorgten.
Und die sind es, die das Wunder vollbringen. Im besten Fall sind sie circa ebensolche Dilettanten wie ich und ihr Nutzen ist wieder ebensolches Tun. In all dem folgenden Misslingen verbergen sich
aber die nächsten Wunder und nur die ergeben Geschichte. Und während dieser Geschichte behalten die Pessimisten immer recht, die Dilettanten fahren aber immer fort. Sie überspielen den Tiefsinn
aller Seher, wobei sie mehr Glück haben als Verstand. Sie lassen sich zeitweise von Optimisten bei Laune halten, aber ihr liebevolles Tun erfüllt sie ja von sich aus mit Freude.
Ob wir nun Theorien, Kunst, Politik oder Linsensuppe machen, wir sollten in diesem Geiste dilettieren. Wir sollten in unserem Denken und Tun eine Lücke lassen, für den Anderen, selbst wenn wir
gerade etwas für ihn zu tun meinen. Ob wir gute Köche sind, ist weit weniger wichtig, wie die Tatsache, wie gut den Unsrigen die Suppe schmeckt.
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